Stellungnahme der Post-sowjetischen Linken (PSL) zur Aussetzung der Humanitärvisa in Deutschland

Die neue Regierungskoalition in Deutschland hat die Vergabe der humanitären Visa nach § 22 Abs. 2 Gesetz über den Aufenthalt faktisch gestoppt – jenes Programm, durch das rund dreitausend anti-kriegs- und oppositionelle Aktivist*innen aus Russland und Belarus gerettet wurden.

Jetzt ist tote Stille. Neue Anträge werden nicht mehr bearbeitet, bereits bewilligte Visa nicht mehr ausgestellt.

Übrig bleiben nur hypothetische Ausnahmen für „besonders medienwirksame Fälle“ – jene, die man bequem als „Beispiele des Humanismus“ vorzeigen kann oder die dem neuen politischen Führungspersonal besonders genehm sind.

Hinter dieser Politik stehen hunderte eingefrorene Schicksale: Familien, die in ihrer Heimat alles aufgegeben haben in der Hoffnung auf Sicherheit, und Menschen, für die jedes Zögern eine Frage von Freiheit oder Gefangenschaft ist.

Wir nennen die Dinge beim Namen: Die Bundesregierung übernimmt zynisch und heuchlerisch die Agenda der extremen Rechten, um billige politische Punkte auf dem Leid der Schutzsuchenden zu sammeln. Diese Politik treibt Menschen nicht nur in die Verzweiflung, sondern zurück in die repressiven Arme von Putin, Lukaschenko oder anderer autoritärer Regime, wo sie ohne Status, ohne Schutz und mit der Gefahr der Abschiebung leben – wie im Fall von Artjom Borodin.

Und all das geschieht unter dem falschen Vorwand eines „fehlenden Integrationsbudgets“, während gleichzeitig beispiellose Summen in Rüstungskonzerne und die Unterstützung der israelischen Offensive in Gaza fließen. Während Beamte „jede einzelne humanitäre Aufnahme“ nachrechnen, verschwinden Milliarden in der Kriegsfinanzierung – statt in den Schutz derjenigen, die sich dem Krieg widersetzen.

Diese Politik zeigt: Aktivist*innen aus Russland und Belarus, die im Interesse der Mehrheit unserer Gesellschaften handeln, dürfen keine Illusionen in westliche Regierungen haben. Unser Verbündeter kann nur die gleiche anti-kriegs-, linke und basisdemokratische Bewegung sein.

Wir lehnen auch die rassistische Logik jener liberalen Stimmen ab, die versuchen, Belaruss:innen und Russ:innen gegen Afghan:innen, Syrer:innen oder Iraner:innen auszuspielen. Eine solche Spaltung spielt nur den kapitalistischen Bossen in die Hände, die immer wieder versuchen, migrantische Arbeiter*innen in Dutzende Kategorien zu zerlegen – um sie zu entzweien, gegeneinander auszuspielen, in Angst und Gehorsam zu halten und die niedrigsten Instinkte anzuheizen.

Wir sind keine „guten weißen Migrant*innen“.
Wir sind Teil einer gemeinsamen Bewegung für das Recht auf Asyl, für Frieden und Demokratie – für alle, die vor Diktaturen und Kriegen fliehen. Wir glauben aufrichtig, dass wir nicht mehr und nicht weniger als andere ein Recht auf Schutz und Zuflucht haben.  

Deshalb initiieren die Post-sowjetischen Linken Gespräche mit afghanischen, iranischen, syrischen, sudanesischen und anderen Diasporas, die von dieser Entscheidung betroffen sind – mit dem Ziel einer gemeinsamen Kampagne für die vollständige Entfrierung und Wiederaufnahme der humanitären Visa-Programme. 

Wir erinnern daran: Schon im Koalitionsvertrag der Bundesregierung war von einer „zeitweisen Aussetzung freiwilliger Aufnahmeprogramme“ die Rede – damals hieß es, es gebe keinen Grund zur Sorge. Heute zeigt sich das Gegenteil. Darum sagen wir klar: Rechte werden nicht durch Bitten und Dankbarkeit erkämpft – sondern durch Druck von unten.

Wir fordern Rechte für alle!

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